
89 Prozent der Menschen weltweit wollen endlich mehr Klimaschutz. Häufig wissen diese Menschen nicht, dass sie die schweigende Mehrheit sind. Darauf macht das 89 Percent Project von Covering Climate Now aufmerksam. Ein wichtiger Beitrag für den faktenbasierten Diskurs.
Wir von RestartThinking schreiben diesen Blog schon seit dem Jahr 2016 und beschäftigen uns neben den technischen Aspekten zur Lösung Klimakrise auch oft mit der notwendigen Veränderung allgemein. Das reicht von politischen Rahmenbedingungen bis hin zu persönlichen Wirkweisen.
Denn ganz ehrlich, an der Technik liegt es nicht – es liegt an uns Menschen. Wie Sie und ich täglich handeln oder kurz- und langfristige Entscheidungen treffen.
Wir vom RestartThinking Blog sind zudem mit dem österreichischen Netzwerk Klimajournalismus verbunden und bekennen uns zu deren redaktionellen Richtlinien. Denn für die notwendige Veränderung müssen die Themen auch an möglichst viele Menschen vermittelt werden. Dabei muss man täglich gegen die Lügen der Fossillobby ankämpfen und verliert viel Zeit alleine nur beim Richtigstellen von Lügen und Falschaussagen.
Über das Netzwerk Klimajournalismus bekam ich eine Einladung, über die ich mich sehr gefreut habe: Die Vorstellung des 89 Percent Projects. Das ist eine Initiative von Covering Climate Now, einer weltweiten Vereinigung von Journalist:innen für Journalist:innen um die Berichterstattung zum Thema Klimakrise zu verbessern und den Lügen etwas entgegenzusetzen.
Die Fragestellungen für das 89 Percent Project war, warum passiert nicht genug für den Klimaschutz? Aus der Fragestellung und verschiedenen aktuellen wissenschaftlichen Untersuchungen kamen die Initiator:innen zu folgenden Schlüssen:
80 bis 89 % der Menschen weltweit wollen, dass ihre Regierungen mehr gegen die Klimakrise tun. Die überwiegende Mehrheit dieser Menschen, weiß aber nicht, dass sie die Mehrheit ist. Das 89 Percent Project spricht daher von der „silent majority“, der schweigenden Mehrheit.
Jede:r glaubt, dass die anderen das nicht so sehen. Und an dieser Stelle verlässt viele der Mut, sich für eine lebenswerte Zukunft und einen gesunden Lebensraum einzusetzen. Obwohl gleichzeitig die Auswirkungen der Klimakrise immer spürbarer werden.
Die Zahl der Menschen schwankt je nach Land. Beispielsweise gibt es in den Ländern des globalen Südens ein viel höheres Bewusstsein für die Notwendigkeit von Klimaschutz. Das liegt daran, da diese Länder und die Menschen darin, bereits viel häufiger und schwerer von den bisherigen Folgen der Klimakrise betroffen sind. In Deutschland und Österreich liegt laut einer Studie aus dem Jahr 2023 der Anteil der Menschen, die sich mehr Klimaschutz von der Regierung wünschen bei über 80 Prozent.
An dieser Stelle ertappe ich mich selbst manchmal, wenn ich mal einen schlechten Tag habe und sich Gefühle der Ohnmacht breit machen. Aber das Gefühl ist ein Trugschluss:
“Individuals around the globe systematically underestimate the willingness of their fellow citizens to act.”
In der bereits zitierten Studie wurde auch gezeigt, dass 69 % der Menschen weltweit bereit wären 1 % ihres Einkommens für wirksame Maßnahmen gegen die Klimakrise auszugeben. 6 % würden zwischen 0 und 1 % beitragen. 26 % der Personen wollen sich daran nicht beteiligen. Hier ist vor allem die Rate von Verweigernden in Ländern wie den USA, Kanada und Russland besonders hoch. In Europa zeigt sich ein gemischteres Bild (S. Grafik 1, S. 255).
89 % der Menschen weltweit wollen endlich mehr Klimaschutz. Darauf macht das 89 Percent Project von Covering Climate Now aufmerksam.
Eine Zeit lang wurde viel über das Modell des „Homo oeconomicus“ diskutiert, also der Annahme, dass sich Menschen immer rational verhalten. Auf das Thema möchte ich heute nicht im Detail eingehen. Eines wurde aber im Zuge vieler Untersuchungen und Experimente klar: So rational wie wir glauben, sind wir leider nicht und mit Wahrscheinlichkeiten und zeitlichen Einordnungen tun wir uns auch schwer.
In Bezug auf den Klimaschutz muss ich nach 15 Jahren in der Praxis auch feststellen, die technischen Möglichkeiten sind meist nebensächlich. Das Wissen über die Klimakrise ist auch schon vieler Orts angekommen. Wir Menschen hängen meistens an diffusen Gefühlen und sozialen Aspekten, die uns abhalten endlich zu handeln.
Zu den diffusen Gefühlen zählt die kognitive Dissonanz. Dazu habe ich bereits im Jahr 2022 einen Artikel geschrieben und mich eingehend mit dem Buch von Isabella Uhl-Hädicke beschäftigt. Die österreichische Umweltpsychologin hat die Gründe, die uns vom Handeln abhalten und Maßnahmen dagegen gut beschrieben. Den Artikel verlinke ich am Ende dieses Beitrags nochmals.
In dem Buch ging es vor allem um die kognitive Dissonanz, eine Art Anspannung. Wir spüren, dass unser Verhalten – beispielsweise der Urlaubsflug – nicht in Ordnung ist. Nur wenige Menschen nehmen diese Anspannung zum Anlass und verändern ihr Verhalten entsprechend und steigen beispielsweise auf die Bahn um oder verbringt den Urlaub in der Region. Der Großteil der Menschen versucht die Anspannung mit irrationalen Ersatzhandlungen zu lösen und schimpft dann beispielsweise auf Klimaaktivist:innen und versucht sich in Ausreden.
Diesbezüglich habe ich vor kurzem einen interessanten Begriff gehört: „Pluralistische Ignoranz“. Er besagt: „Wir würden ja gerne, aber die anderen“. Das haben Sie sicherlich schon mal in der Ausprägung von „Ja, aber die Chinesen“ oder „Was sollen 9 Millionen Österreicher:innen schon machen?“ gehört.
Zudem kommt die „erlernte Hilflosigkeit“, wenn eigenes Handeln scheinbar regelmäßig nicht zum gewünschten Erfolg führt, geben Menschen auf. Beispielsweise beim Bahnfahren erlebe ich das oft. Anscheinend gibt es eine Art Murphy’s Law für Bahnfahrten, dass diejenigen, die selten fahren und sich dann doch mal aufraffen, eine Chaosfahrt erleben. Aus dem einem oder den wenigen Malen wird dann darauf geschlossen, dass diese Art der Fortbewegung nicht möglich ist. Als Elektroautofahrerin seit 2016 kann ich mittlerweile Abende mit Vorurteilen füllen, die ich mir schon anhören musste, obwohl die Menschen noch nie mit einem solchen Fahrzeug gefahren sind.
Die Liste lässt sich ewig fortsetzen, von erneuerbarer Energie, der Energiewende, Speichersystemen, über nachhaltige Landwirtschaft bis hin zur Kreislaufwirtschaft. Alles muss anscheinend so bleiben wie es ist, denn die guten Geschichten hört man viel zu wenig bzw. sind wir auch darauf geprägt sie nicht unbedingt hören zu wollen.
Die Berichterstattung über bezahlbare erneuerbare Energiequellen, Kreislaufwirtschaft, sozial sinnvolle Projekte wie Energiegemeinschaften, Projekte zum Schutz von Biodiversität, neue Produktionsfahren und -materialien – als das gibt es bereits. Wir müssen die guten Beispiele anscheinend auch mantraartig wiederholen.
Dazu gibt das 89 Percent Project folgende drei Ratschläge für gelungene Geschichten zum Thema Klimatransformation:
Meine Geschichte des Gelingens in diesem Monat: Ich konnte im April für die soziale Energiegemeinschaft „Gemeinwohlenergie Innsbruck“ neue regenerative StromproduzentInnen gewinnen. Wir teilen die Energie innerhalb der Gemeinschaft österreichweit. Menschen, denen es nicht so gut geht, können über einen vergünstigten Stromtarif auch ohne eigene PV-Anlage von der Energiewende profitieren.
Was sind Ihre guten Geschichten in diesem Monat? Schicken Sie uns gerne eine Nachricht, teilen Sie Ihre Ideen mit uns auf LinkedIn und vor allem erzählen Sie es anderen.
#RestartThinking
Veränderung. Denken. Können.
Herzliche Grüße
Marlene Buchinger
Mehr zum 89 Percent Project: https://coveringclimatenow.org/from-us-story/press-release-spotlighting-the-silent-climate-majority/
Wer steckt dahinter? https://coveringclimatenow.org/about/
Wo finde ich verlässliche Recherchen und Infomaterial zum Thema Klimakrise:
Deutsch: www.klimafakten.de
Englisch: https://www.cleanenergywire.org
Die Autorin:
Marlene Buchinger, MSc.
Expertin für Klimatransformation und Nachhaltigkeit, Projektentwicklerin und Problemlöserin
Wir von RestartThinking sind spezialisiert auf Strategie-, Prozess- und Klimatransformation. Mit mehr als 15 Jahren internationaler Erfahrung im Bereich Erneuerbare Energie und Projektmanagement stehe ich Ihnen als Sparringpartnerin zur Verfügung und entwickle nachhaltige und effiziente Prozesse.